Ich hoffe mal ich bin hier richtig. Ich suche Meinungen von Menschen außerhalb meiner Bubble und ihr seit mir als erstes eingefallen.

Kurzer Kontext:

Ich wohne in einem (recht konservativen) Dorf in Sachsen (Region Erzgebirge). Religion ist für viele ein Thema, speziell mein Freundeskreis ist nahezu vollständig in der evangelischen Landeskirche vertreten. Fast alle nehmen das auch sehr ernst, man hilft bei der Kinderbetreuung, bereitet Kurrende (Kinderchor) vor, plant Flohmärkte, etc. Das führt zu einem sehr netten sozialen Miteinander, wobei Religion und Glauben verbindet. Die meisten Familien sind zwischen 30 und 35 Jahren und haben etwa 2-3 Kinder.

Meine Frau und ich sind vor etwa einem Jahr aus der “Stadt” zurückgekommen und fühlen uns wohl hier. Bei den meisten Themen kommen wir auch auf einen grünen Zweig. Ein Thema, das immer wieder hochkocht ist “Gender”. Gemeint ist die ganze Bandbreite von Geschlechteridentitäten, Sprache (“Gendern”), am Rande auch sexuelle Präferenzen (Homosexualität, etc.).

Jetzt treffen wir uns einmal in der Woche und quatschen über schwierige Themen. Das oben genannte ist aktuell dran. Da hauptsächlich Meinungen Pro “klassischer” Geschlechtereinteilung, sowie auch viele Ängste/Befürchtungen vor der Genderthematik vorliegen, wollte ich gern mal hier nachfragen, ob ihr ein paar gegensätzliche Meinungen/Argumente bringen könnt. Wir würden die dann mal durchgehen und vielleicht kann ja die eine oder andere Befürchtung oder Vorurteil widerlegt werden.

Konkrete Fragen (die sind sehr polemisch/übertrieben, dies dient nur dem Zweck der Verdeutlichung der Frage)

  1. Warum muss das Thema “Gender” überhaupt gepusht werden? Gibt es keine größeren Probleme?

  2. Warum wird bei der Sprache angefangen und nicht Zeit/Geld in konkretere Maßnahmen gesteckt um mehr Akzeptanz für Menschen außerhalb des klassischen Spektrums im Alltag zu erreichen?

  3. Warum herrscht so ein riesiges Durcheinander (gefühlt entsteht jede Woche eine neue Geschlechteridentität)?

  4. Warum gibt es zig verschiedene “Sprech-/Schreibweisen” für das korrekte Gendern? Warum wird nicht erstmal ein einheitlicher Standard erarbeitet, der dann allgemein verwendet wird?

  5. Was wird getan um (insbesondere Kinder) vor Verwirrung zu schützen? Damit ist gemeint, dass die Gefahr besteht, dass ein Nicht-Festlegen auf eine Identität einen tieferen Selbstfindungsprozess verhindern könnte (“Mach was du willst, du musst nichts entscheiden, du kannst alles noch nachträglich ändern” -> kein festes “Fundament” für Persönlichkeit)

Ich würde mich sehr über Antworten oder auch Referenzen zu Resourcen etc. freuen. Bitte bleibt freundlich.

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Nur ein paar Gedanken dazu:

  1. Ich sehe es sehr kritisch, dass Menschen lieber beim CSD party machen als auf Klimademos zu gehen. Aber solche Themen sind immer einfacher zu lösen als Klimakatastrophe zb, man ändert eine Schreibweise und ist schon sehr weit. Und es ist natürlich ein großes Problem, dass Menschen diskriminiert werden.
  • toxische Männerrollen führen zu hohen Selbstmordraten, Alkoholismus, Aggression, Egoismus, wenig Therapiesuche etc
  • Frauenrollen reden Menschen ein sie müssten immer perfekt aussehen, bestimmte Verhaltensweisen wären “unweiblich”
  • Diskriminierende Sprache existiert überall, genauso wie Einteilung bei Klos, Umkleiden, Klamottenläden, Kosmetik, Sportvereinen, Wettkämpfen, medizinischen Behandlungen etc

Mir fallen spontan aber mehr feministische Probleme ein, als andere. Zb Paygap, Abtreibungsprobleme und krasse Gesetze, Sexismus bei Bewerbungen, Dosierung von Medikamenten, falsch eingestelle Autositze, Verhütungsmethoden,…

  1. Sprache kann jeder verändern

  2. Ich sehe das Problem beim Kategorisieren. Wir sehen, dass Menschen sexistisch in irgendwelche Rollen gesteckt werden, die irgendwie allen schaden. Aber statt als Lösung einfach gegenderte Personenbezeichnungen oder Pronomen abzuschaffen (oder einfach einen zu verwenden), und nebenbei Deutsch etwas einfacher zu machen, erfinden Menschen noch mehr Kategorien und Pronomen.

Es ist völlig normal, dass jeder Mensch unterschiedlich in vielen, anders in einigen und einzigartig in wenigen Eigenschaften ist. Jeder ist irgendwo auf einem Spektrum, Sexualität, Geschlecht. Man kann 20% homosexell sein, glaube ich.

Aber diese Klassifizierungen erzeugen ja die Probleme und sollten deswegen abgeschafft / vereinfacht werden.

Pronomen sind Vereinfachungen, neue zu erfinden ist nur begrenzt sinnvoll. Ein generelles wie “they” im Englischen, oder “mensch” in einigen Kreisen ist so ein Versuch bzw schon etabliert. In Schweden haben sie übrigens auch “hen” was neutral ist.

  1. Was nicht festgelegt ist, hat keine Standards. Es geht ja um ein Loslösen und Identitätsfindung. Viele Menschen sagen auch “keine Pronomen”, was ein anderer Ansatz ist. “Alle Pronomen” funktioniert meist nicht, weil Menschen einfach weiter das alte benutzen.

  2. Wovor muss man wen schützen? Rückblickend bin ich sicher, dass ich in der Schule immer toxische Männlichkeit gehasst habe. Jungs, die sich auf die Fresse hauen und lästernde Mädchen, das ist das Resultat des momentanen “Schutzes”.

Was ist schlimm daran, “Mädchen” mit kurzen Haaren und “jungshaftem” Verhalten zu sagen, dass sie sein können wie sie wollen? Oder “Jungs”, die sich anders verhalten als es typisch wäre?

Und über die Kinder, die sich dann jede Woche ein neues Pronomen ausdenken darf man sich nicht sorgen. Es sind Kinder, das wird sich alles noch finden, warum müssen wir alles immer so ernst sehen? Niemand braucht diese regelkonformen Zwänge, die wir Kindern auflegen.

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Nicht direkt eine Antwort, aber ich bin beim Thema Einfach konträr. Mich nerven einfach beide Seiten der Debatte.

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Meine Antwort hat wohl ein Zeichenlimit überschritten, weshalb es in zwei Teilen kommt. Einmal hier und einmal als Kommentar zu dieser Antwort.

Cool, dass du versuchst dich mit gegensätzlichen Argumenten zivilisiert auseinanderzusetzen und die Situation von mehreren Seiten zu betrachten versuchst. Respekt!

Einige Quellen gibt es am Ende. Ich beanspruche keine Richtigkeit, da ich nur mit meinen Zehen in das Thema eingetaucht bin. Daher gerne korrigieren, wo notwendig:

Zu Frage 1:
“Gibt es keine größeren Probleme?”
Natürlich gibt es immer andere Probleme. Wie groß diese sind liegt im Auge des Betrachters. Ich denke wir als Menschen, insbesondere aber wir als Gesellschaft, sind in der Lage uns um mehr als ein Problem gleichzeitig kümmern zu können. Nichts anderes tun wir und auch politisch aktive Menschen tagtäglich. Umgekehrt gefragt: Warum stört dich das Thema überhaupt so sehr, dass es für dich zum Problem wird? Du könntest es ja auch einfach akzeptieren und auch gendern.

Warum das Thema überhaupt gepusht werden muss:
Es geht hierbei mMn. nicht nur um eine Gleichberechtigung in der Sprache (dazu gleich mehr), sondern auch darum, um die Probleme für Menschen mit anderen (als denen ihnen zugewiesenen) Geschlechtsidentitäten sichtbar zu machen. Wusstest du zum Beispiel, dass es bis 2021 (das ist gar nicht so lange her!) medizinischem Fachpersonal erlaubt war auf eigenes Ermessen die länge der Klitoris oder des Penis bei Neugeborenen zu messen und dann operativ anzupassen, um sie an “eindeutig männlich/weiblich” anzugleichen? Oder, dass sich Menschen, die sich geschlechtsangleichenden Operationen unterziehen wollen ein unangenehmes Prozedere mit teils abstrusen Fragebögen droht? Und dann ist da noch das klassiche Toilettenproblem: männlich/weiblich? Wo geht man hin, wenn man weder das eine, noch das andere ist?

Konkreter aber zur Sprache:
Dass Sprache und Sprechen das Denken formt ist unlängst erwiesen und gut untersucht. Und auch wenn das Thema “Gendergerechte Sprache” nach wie vor Gegenstand von Forschung ist, gibt es bereits einige interessante Ergebnisse. Zum Beispiel: Es wurde eine Gruppe von Menschen befragt, wer ihr Lieblingsschauspieler und -Sportler ist. Dann wurden das selbe in gegenderter Form gefragt, also wer ihre/ihr Lieblingsschauspielerin / Lieblingsschauspieler, und -Sportlerin / Sportler ist.
Ergebnis: Verwendet man auch die weibliche Form, statt des generischen Maskulinums, werden deutlich mehr Frauen genannt.
Für mich ist das schon mal ein guter Grund dafür zu gendern, um in den Köpfen der Menschen ein ebenbürtiges Bild zu erzeugen.

Auf der anderen Seite geht es auch darum “mitgemeint” zu werden. Schon bevor geschlechtergerechte Sprache durch Queere und Transmenschen so medial aufmerksam thematisiert wurde, waren Frauen auch nicht gerade glücklich mit dem generischen Maskulinum.

Ein Problem, das freilich nur in Sprachen mit geschlechtsspezifischen Ausdrücken auftreten kann, worin wir Deutsche ja meisterhaft sind. Im Englischen ist es schon deutlich einfacher.

Zu Frage 2:
Ich denke, dass das ein verschobenes Bild ist. Es wird nicht bei Sprache angefangen. Der Kampf von queeren Menschen für gleiche Rechte hat an mehreren Fronten gleichzeitig begonnen. Und der läuft schon seit Jahrzehnten. Hier in Deutschland sind wir auch ziemlich spät dran mit einigen gleichen Rechten. Aber es tut sich nach und nach etwas, was ich gut finde. Gendergerechte Sprache ist lediglich ein weiterer Punkt auf der Todo-Liste, der gerne zum Politikum wird und medial hochgepusht wird, weil sich damit gut Radau und Wahlkampf machen lässt, aber eben auch deswegen, weil das mal ein Thema ist, welches eine Verhaltensänderung von so ziemlich jedem abverlangen würde. Und wir Menschen sind furchtbare Gewohnheitstiere. “Was? Du willst, dass ich dir zu liebe meine Sprechweise ändere? Ne!”

Zu Frage 3: Wenn man eine Sache nicht untersucht, weiß man nicht womit man es zu tun hat. Sobald man sie dann untersucht entdeckt man oft neue Dinge. Auch die Wissenschaft ist leider sehr spät dran damit das Thema Geschlechtsidentitäten gründlich zu untersuchen. In manchen Ländern, sogar innerhalb Europas, wird Forschung daran sogar explizit verboten hust Ungarn hust.
Menschen werden aufgeschlossener und trauen sich an das Thema heran. Dabei entdecken sie dann Dinge, die so nicht in bisher bestehende Anschauungen hineinpassen.

Es ist nun auch eine wichtige Aufgabe der Wissenschaft herauszusieben, welche Formen von Geschlechtern es alle gibt und wie man sie am besten klassifiziert.
Auch wenn es natürlich eine Übertreibung ist, dass es “gefühlt jede Woche ein neues Geschlecht” gibt, kann ich verstehen wo der Eindruck herrührt. Auch Menschen, die sich nicht als männlich / weiblich einordnen lassen, müssen erstmal lernen sich selbst zu verstehen und finden daher neue Bezeichnungen für sich. Aber wie gesagt, was sich davon letztenendes durchsetzen kann und wird, muss meiner Meinung nach vor allem die Wissenschaft herausfinden. Bis dahin sind es eben turbulente Zeiten und ich finde es wichtig offen für Neues und entsprechende Ergebnisse zu sein.

(Fortsetzung in den Kommentaren.)

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Fortsetzung:

Zu Frage 4:
Das weiß ich auch nicht. Es gibt bisher soweit ich weiß kein Gremium, welches Menschen aller Geschlechter vertritt und welches dann gründlich erarbeiten kann, was der beste Standart wäre. Viele Formen haben diverse Vor- & Nachteile. Daher ist meine Einschätzung, dass dies gegenwärtig schlicht und ergreifend noch ein laufender Prozess ist. Man will schließlich vermeiden, dass durch neue sprachliche Standarts auch wieder Menschen ausgegrenzt werden.
Mein persönlicher neuer Favorit ist die Endung auf “y” oder gerne auch “i”. Arzthelfys, Hausmeisterys, etc… Getreu der Abkürzungen “Azubis” oder “Studis”, was ja bereits geläufig ist. Problematisch wirds dann aber ggf. bei (unbestimmten) Artikeln. Also mal gucken, was sich da durchsetzen wird.

Zu Frage 5:
Das ist ein Vorurteil, welches gerne aus dem rechtskonservativen Milieu stammt, ohne Hand und Fuß zu haben. Bevor man fragt, was dagegen gemacht wird, sollte man sich zuerst fragen, ob das überhaupt ein reales Problem ist. Und es gibt meines Wissens keine Daten, die dafür sprächen. Im Gegenteil, soweit es mir bekannt ist spricht der gegenwärtige Stand stark dafür, dass Heranwachsende dadurch nicht negativ beeinträchtigt werden, wohingegen ein offener Umgang und entsprechendes Verständnis für Heranwachsehde früh helfen kann größere Schäden, insbesondere psychologischer Natur, abzuwenden. Die gängige Erfahrung ist die, dass junge Menschen, die sich mit dem Thema befassen und das ihnen zugewiesene Geschlecht hinterfragen, eine erstaunliche Reife aufweisen. Die Feststellung, dass man sich nicht als das zugewiesene Geschlecht sehen kann, kommt nicht von heute auf morgen. Dem geht ein langer Prozess voraus. Obendrein, spätestens sobald man sich für die Durchführung geschlechtsangleichender medizinischer Maßnahmen entscheidet, wird man umfassend von medizinischem und psychologischem Fachpersonal betreut. Man stellt dabei sicher, dass das keine flüchtige, dumme Idee ist, die ein junger Mensch da hat.

Jenseits deiner Fragen:

Rein biologisch betrachtet gibt es diverse Geschlechtsmerkmale. Geschlecht ist nicht gleich Geschlecht. Neben dem offensichtlichen anatomischen Geschlecht, gibt es das gonodale, hormonelle und genetische Geschlecht. (Dazu kommt dann auch nach das soziale Geschlecht auf der psychologischen Ebene.)
Wer ein kleines bisschen versteht, wie Evolution funktioniert, sieht auch, dass die Merkmale, mit denen man geboren wird, zufällig gestreut werden. Das heißt nicht, dass da komplett gewürfelt wird, es gibt definitiv Einflussfaktoren und Kausalitäten, die man beschreiben kann. Aber letztenendes gibt es immer eine gewisse Streuung von genetischen – also angeborenen – Merkmalen und welchen, die sich erst im Laufe der Zeit durch Umwelteinflüsse ausprägen. Das sorgt dafür, dass nicht jeder Mensch gleich aussieht. Das sorgt dafür, dass die einen größer, die anderen kleiner sind, die einen schneller darin eine Sprache lernen zu können, die anderen weniger und so weiter.
Man sieht diesen Prozess auch in anderen Lebensformen. Wir haben uns dies schon vor jahrtausenden zu Nutze gemacht, als wir angefangen haben Pflanzen gezielt so zu züchten, dass sie z.B. mehr Ertrag bringen.

Es kommt regelmäßig vor, dass Phenotypen dabei entstehen, welche in ihren Eigenschaften nicht dem Durchschnitt einer Population entsprechen. Heißt, wenn du dir vorstellst, dass bestimmte Eigenschaften der Menschen wie eine gauß’sche Glockenkurve verteilt sind, dann gibt es da eben eine breite Masse an Menschen, welche die Mehrheit der Bevölkerung darstellen und daher das sind, was als “normal” bei der Bevölkerung betrachtet wird. Nichtsdestotrotz gibt es am oberen und unteren Ende eben diejenigen, welche nicht in das Normbild passen. Von diesen gibt es verhältnismäßig deutlich weniger.
Dass dies nicht nur in der Vorstellung, sondern auch tatsächlich bei vielen Eigenschaften der Fall ist, sieht man z.B. bei der Körpergröße von Männern und Frauen. Laut dieser Datenquelle hier, sind ca. 95% der Männer zwischen 1,63 m und 1,93 m groß, wobei 5 % der Männer entweder kleiner oder größer als das sind. (Ein Bild der Verteilung findest du im Abschnitt “Height is normally distributed”.)
Auch geschlechtliche Merkmale sind nicht exakt identisch bei jedem Menschen ausgeprägt sondern unterliegen genauso wie alle anderen Merkmale einer gewissen Verteilung (das muss nicht zwangsweise eine gauß’sche Glockenkurve sein. Es gibt auch andere statistische Verteilungen.)
Was Geschlechtsidentitäten betrifft, habe ich auf die Schnelle zwar keine Daten zu einer möglichen Verteilung finden können, aber immerhin wurde bei einer globalen Befragung aus diesem Jahr erfasst, dass sich weltweit ca. 4 % aller Befragten nicht mit dem ihnen zugewiesenen Geschlecht identifizieren können.

Es ist sehr gefährlich Personen nicht ernst zu nehmen, welche sich nicht mit dem ihnen zugewiesenen Geschlecht identifizieren können. Die mangelnde Akzeptanz, die fehlenden gleichen Rechte, aber auch die Diskriminierung und der Hass, dem diese Menschen ausgesetzt sind, tragen maßgeblich zu psychischen Problemen wie Depressionen und Suizidalität bei. Sie schaden niemandem und wollen niemandem etwas Böses. Sie wollen lediglich, dass ihnen erlaubt wird, sie selbst sein zu dürfen.

Hier einige Quellen, die ich zu dem Thema empfehlen kann:

Übrigens: Wenn ich das richtig sehe, habe ich - bis auf zwei Stellen - meine Antwort hier geschrieben ohne zu gendern oder das generische Maskulinum für Personen zu nutzen. Ist dir das aufgefallen? Wenn nicht, dann habe ich hoffentlich einen guten Job gemacht und dir dabei auch zeigen können, dass das gar nicht so schwer sein muss. :)

Ende

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  1. Wenn man angst vor etwas hat, hat man schnell das Gefühl, das etwas gepuscht wird. Der Effekt ist so wie wenn man abnehmen will und plötzlich ist jeder auf der Straße und im Büro ständig am Essen und Werbung ist auch nur über Essen und jedes zweite Geschäft bietet Esswaren an UND ES IST ÜBERALL!!!

In Wahrheit wird eigentlich immer noch die Standardfamilie, die Standardgeschlechterrollen und die Standardgeschlechtervorurteile weit mehr dargestellt und gepuscht und da das halt auch die Mehrheit widerspiegelt ist das auch ok. Es hilft wenn man sich mal einen Tag lang bewusst darauf konzentriert, wo man das sieht, weil normalerweise merkt man es nicht weil es einem halt “normal” vorkommt.

  1. Man hat nicht bei der Sprache angefangen, so wenig wie als ich jung war (66 geboren) man damit angefangen hat sich gegen das Wort “Fräulein” (nicht vollständige Frau, weil ihr der Ehemann fehlt, niemand sagte zu einem unverheirateten Mann Männlein) zu wehren, sondern damit im Grundgesetz Mann und Frau gleiche Rechte und Pflichten zu geben. Trotzdem hat man mir im Berufsleben immer noch das “Fräulein” angehängt wenn man mich auf “meinen Platz” verweisen wollte. Sprache ist wichtig. Sprache verletzt und grenzt aus und weil Sprache ein System ist, kann sie Menschen systemisch ausgrenzen. Wir gendern in vielen Bereichen schon lange, ohne dass es großartig Aufsehen erregt hätte. Seit Mitte der 90er traut sich schon keine Rektorin mehr nur von Schülern zu sprechen, das geht so weit, dass die Lehrenden schon lange von “SuS” sprechen (Schülerinnen und Schüler) weil sie eine Abkürzung brauchten, weil beim Sprechen das andere zu lang ist. Wenn es Gewohnheit wird, fällt es auch nicht mehr auf.

  2. “gefühlt” passiert viel, in Wirklichkeit passiert sehr wenig und das Wenigste davon berührt uns. Ich habe mein ganzes Leben lang as asexuelle und aromantische Frau gelebt ohne ein Wort dafür zu haben. Andere hatten Worte für mich “Blaustrumpf”, “alte Jungfer”, “prüde” … Mir hätte es als junger Mensch sehr geholfen positive Bezeichnungen für meine Art zu fühlen und leben zu wollen zu haben. Heute mit 57 ist mir das nicht mehr wichtig, aber ich bin froh, dass junge Menschen sich die Freiheit erobert haben sich eigene Bezeichnungen zu suchen. In meiner Jugend war schwul sein noch strafbar, Menschen vergessen wie kurz es erst her ist, dass wir zum Beispiel homosexuelle Soldaten rehabilitiert haben.

Es werden keine neue Identitäten “erfunden” aus der “alten prüden Jungfer” wird einfach nur eine “selbstbestimmte, sebstbewusste asexuelle und aromantische Frau” und niemand kann mir erzählen das wäre schlecht oder schwer zu verstehen und inwiefern “fühlst” du oder andere dass euch das irgendwie betrifft? Eben, garnicht, aber für Betroffene macht es einen großen Unterschied.

  1. Weil wir noch nach Wegen suchen und noch nicht in allen Bereichen einen guten Weg gefunden haben. In der Schule führt absolut kein Weg an “Schülerinnen und Schüler” mehr vorbei. Da denkt man nicht mehr darüber nach, das ist in jedem Textbaustein so eingefügt und fertig - sprich es IST bereits Standard. Firmen haben auch schon überwiegend eigene Standards wie interne Kommunikation oder Briefe nach aussen aussehen sollen um ein einheitliches Bild zu bieten. Wenn man mich bei einem Unternehmen bei der Anmeldung nach meinem Geschlecht fragt und dann nicht einmal “liebe Kundin” schreiben kann würde ich heutzutage an deren Professionalität zweifeln. Als jemand der lange Zeit online Formulare gestaltet hat - es ist inzwischen Standard, dass der Businesskunde erwartet, dass bei der Abfrage, in dem Formular dass in Auftrag gegeben wird, auch andere Möglichkeiten als Frau/Mann angeboten werden.

Es ist schon mehr standardisiert als man denkt. Und dann haben wir noch den witzigen Umstand, dass die gleichen Leute, die mockieren, dass es keinen Standard gibt, diejenigen sind, die von “Sprachdiktatur” sprechen würden, wenn einer deutschlandweit eingeführt werden würde. Da kann man nicht gewinnen, weil es nicht wirklich um Lesbarkeit oder Standard geht sondern um Ablehnung jeder Veränderung.

  1. Komischerweise spricht keiner über die Schäden, die bei Jugendlichen entstehen, die von der Gesellschaft auf die falsche geschlechtliche und/oder sexuelle Identität festgelegt werden. Offensichtlich sind das Schäden die man sehr gerne bereit ist in Kauf zu nehmen, schliesslich gehören die eigenen Kinder “ja wohl nicht zu denen”. Manche werden auch intersexuell geboren, also mit beiden Geschlechtsmerkmalen. https://www.deutschlandfunkkultur.de/zwischen-zwei-geschlechtern-100.html
    https://de.wikipedia.org/wiki/Intergeschlechtlichkeit

Ich habe keine Ahnung ob diese Fragen und Aussagen über “Verwirrung” von Menschen kommen für die Kinder und Jugendliche völlig unbekannt sind, also Alien-unbekannt. Kinder und Jugendliche legen ihre Identität selber fest, wenn man sie lässt und nicht Panik kriegt weil Sohnemann mal mit einer Puppe spielen will und die Schuhe mit pinkem Glitzer bevorzugt oder das Mädchen partout kein Gokart geschenkt kriegt weil das ein Jungenspielzeug ist. In der Schule wird schlicht und einfach erklärt “alle sind ok” und nicht jede /r passt ins Schema F, fertig. Kommen Fragen werden sie beantwortet. Verwirrt sind die Erwachsenen und es ist erschreckend wie viele Erwachsene sich ihrer Identität so unsicher sind, dass sie jemanden, der anders fühlt, als Bedrohung ansehen. Kommt wahrscheinlich davon, dass man die eigene identität nicht selber entdecken durfte sondern sie von aussen übergestülpt bekam und jetzt muss sie täglich weiter von aussen bestätigt werden sonst löst sie sich auf. DAS nenne ich verwirrt.

Ein Beispiel aus der Schule: Ehemals als Mädchen angemeldeter Jugendlicher kommt nach den Sommerferien als Junge mit neuem Namen in die Schule. Der Rest der Kinder: “Boah, ich würde mir meinen Vornamen auch gerne selber aussuchen dürfen.” gefolgt von einer langen Diskussion darüber welche Namen “cool” sind und welche nicht. Ein halbes Jahr später gab es Fragen zu Hormonen und Verzögerung der Pupertät, die wurden (mit Hilfe von aussen, weil die Lehrer da auch nicht im Thema waren) beantwortet. Ende. Keine Verwirrung bei absolut niemandem ausser am Elternabend bei einigen Eltern.

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Warum muss das Thema “Gender” überhaupt gepusht werden? Gibt es keine größeren Probleme?

Weil es genug Menschen gibt denen das Thema wichtig ist wird es gepuscht. Größe von Problemen ist zum einen subjektiv und persönlich situativ zum anderen kann mehr als ein Problem auf einmal behandelt werde.

Warum wird bei der Sprache angefangen und nicht Zeit/Geld in konkretere Maßnahmen gesteckt um mehr Akzeptanz für Menschen außerhalb des klassischen Spektrums im Alltag zu erreichen?

Weil man nicht bei der Sprache angefangen hat.

Warum herrscht so ein riesiges Durcheinander (gefühlt entsteht jede Woche eine neue Geschlechteridentität)?

Wenn Menschen mehr über sich selber und ihre Geschlechtsidentität reflektieren ist es nicht wunderlich, das sie auch da feststellen, das sie eigentlich individueller sind und nicht unbedingt in bekannte Muster passen. Junge Menschen versuch dabei auch eine Sprache zu finden, die ihr Empfinden besser und genau beschreibt.

Warum gibt es zig verschiedene “Sprech-/Schreibweisen” für das korrekte Gendern? Warum wird nicht erstmal ein einheitlicher Standard erarbeitet, der dann allgemein verwendet wird?

Weil es ein bottom up Ansatz ist, der viele unterschiedliche Ursprünge hat.

Was wird getan um (insbesondere Kinder) vor Verwirrung zu schützen? Damit ist gemeint, dass die Gefahr besteht, dass ein Nicht-Festlegen auf eine Identität einen tieferen Selbstfindungsprozess verhindern könnte (“Mach was du willst, du musst nichts entscheiden, du kannst alles noch nachträglich ändern” -> kein festes “Fundament” für Persönlichkeit)

Pubertät ist insgesamt recht verwirrend, nicht sicher das Rechtschreibung und Grammatik da das dramatischste ist. Aber mehr philosophisch würde ich sagen, das es bei der Selbstfindung gerade darum geht sich selber zu finden und nicht ein vorgefertigtes Muster zu leben.

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