Leider ist eine Gesellschaft, in der das passiert, was der Artikel beschreibt, von allen relevanten Parteien seit Jahrzehnten politisch gewollt. Wir sollen eine Gesellschaft von passiven Konsumenten sein und ja nicht auf die Idee kommen, dass man durch Kooperation was ganz Großes auf die Beine stellen kann, auch wenn man selbst nur ein kleines Licht ist. Deswegen wird uns seit Jahrzehnten grenzenloser egoistischer Individualismus als die ultimative Freiheit verkauft.
Das ist meiner Meinung nach nicht nur (vielleicht nicht mal in erster Linie) ein durch Parteien verursachtes Problem, sondern auch ein durch den Kapitalismus und unsere Rolle als Konsumenten. Wir sind gewohnt, dass wir nichts konkretes mehr machen müssen, damit etwas passiert oder bekommen - wir klicken einen Button oder bezahlen jemanden und dann passiert etwas. Selbst etwas auf die Beine zu stellen ist im Vergleich dazu viel komplizierter, verwirrender, unsicherer und erfordert viel mehr Skills - reden, organisieren, Meinungsverschiedenheiten aushalten, tätigkeitsabhängige Skills, …Und das ist natürlich auch ein Teufelskreis, weil wir kaum noch Gelegenheiten (oder Notwendigkeiten) haben, diese Skills einzuüben. Alles ist entweder Konsum oder Lohnarbeit.
Kapitalismus und unsere Rolle als Konsumenten.
Der freidrehende Kapitalismus, der Menschen zu entsolidarisierten Arbeitsdrohnen und passiven Konsumenten reduziert, ist politisch so gewollt. Seit Jahrzehnten werden systematisch verschiedene Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausgespielt, wenn es darum geht, aus neoliberalem Sparwahn, natürlich nur, um die Wirtschaft™ zu entlasten™, zivilisatorische Errungenschaften einzustampfen. Das machen alle großen Parteien so. Im Moment sind als Sündenbock, gegen den der Rest aufgehetzt wird, mal wieder die Ausländer dran, als nächstes kommen wahrscheinlich die Arbeitslosen, dann die Rentner, die Kranken usw.
Du sagst das als wäre hier von den Illuminaten die Rede. Dabei ist es einfach ein komplett logisches Phänomen im Kapitalismus.
Genau. Und all das funktioniert, weil wir es so wollen. Wir reproduzieren das System durch eigenes Handeln. Es gibt kein oktroyiertes System, das von uns irgendwas verlangt — wir sind das System.
Und ich habe damit kein Problem. Die soziale Marktwirtschaft hat uns den höchsten Lebensstandard in der Geschichte der Menschheit beschert.
Bei uns im (ländlichen) Sportvereinshäuschen sitzen meist nur Ältere, so 65+. Viel mit Sport ist da meist nicht mehr, außer Stockschießen vielleicht. Meist begleitet von ordentlich Zigarettenqualm, Bier und politisch fragwürdigem Geplänkel.
Fur mich kein Ort, wo man Kinder gerne (alleine) hinschickt. Muss ich leider so sagen.
Beschwert über mangelnden Nachwuchs wird sich dort aber trotzdem fast immer. Dass sie es aber auch sind, die Neues und Innovationen blockieren, das kommt leider niemandem in den Sinn.
Darf ich fragen was zum Beispiel mit Neuem und Innovativen gemeint ist, oder war das nur als Lückenfüller gedacht? Wenn es Ideen gibt, nehme ich die gerne mit in meinen Verein. Mein Erfahrungsschatz in Vereinen spiegelt sich eher mit den der anderen Kommentaren hier. Nämlich das ein gesellschaftlicher Wandel dafür sorgt, dass niemand wirklich mehr eine Bindung zum Verein aufbaut geschweige denn Verantwortung übernehmen möchte.
Bei uns ging da in der Vergangenheit oft um neue Sportarten. Es gibt da noch Freifläche. Und wenn Tennisplatz 1 und 2 schon kaum genutzt werden, und der Volleyballplatz auch nur 1x die Woche bespielt wird, wieso genau das nochmal erweitern? Die Dorfjugend hat da durchaus auch Dinge wie 'ne Halfpipe oder Kletterwände eingebracht, aber davon wollten die älteren Mitglieder/innen wenig wissen, weil das für die nix wäre.
Auch der Umgang mit Zigaretten und Alkohol ist oft debattiert worden. Aber auch daran bekommt man nix zu rütteln. Und ein Sportplatz soll jetzt auch kein Ersatz für 'ne 80er Kneipe sein.
Es ist halt deprimierend. Ich persönlich brauch jetzt auch keine Halfpipe, aber ich kann verstehen, wieso andere das gerne hätten. Und mittlerweile hab ich da selbst ein wenig aufgegeben. Der Verein im Nachbarort bekommt das besser hin.
Wenn es mal wenigstens eine halbgare Begründung gegeben hätte in Richtung ‘Wir würden wollen, aber Halfpipes und Kletterwände mögen Versicherungen nicht sonderlich’, aber so wie Du das schilderst ist es lächerlich. Beim Umgang mit Alkohol und Zigaretten gebe ich dir (als Raucher und gerne auch mal Kneipentrinker) ebenfalls vollkommen recht. Es wird null auf die Kinder und Nichtraucher geachtet. Zum Teil nicht einmal bei Jugendfußballspielen.
Aber insgesamt haben wir dann doch unterschiedliche Probleme. Was mir auffällt sind eher Sachen wie die Kommerzialisierung schon ab der Kreisliga, was die typischsten Amateurfußballer bereits zu Söldnern macht. Eltern die ihr Kind nicht drei mal die Woche zum Platz fahren wollen (Bonus: Kinder die nicht mal einen Kilometer Fahrrad fahren wollen). Der von Trollercoaster unten genannte Individualismus, der Leute sofort frustriert wenn irgendwas nicht nach ihrer Nase läuft (bsp. wenn der Rasen mal nicht gewässert wird). Und eben dieses alte Gefühl von ‘Ich kann sowieso nichts bewirken, dann lasse ich es komplett’. Ich bin quasi im Vereinsheim groß geworden und hänge am Vereinsleben. Deshalb hat mich der Mut noch nicht verlassen. Ich kann es aber niemandem übel nehmen der bei der momentanen Lage aufgibt.
Ich bin 2018 alleine in eine Großstadt gezogen, hatte nur den Job und kannte niemanden und bin mehr zufällig in den Verein gestolpert. Nach dem dritten Treffen wurde ich unverbindlich gefragt einzutreten (2.5 € / Monat). Ich dachte ich verlasse die Stadt eh in 3 Jahren aber was soll’s. Ist ja nett hier. Damals noch unter 70 Mitglieder. Oft bin ich Monate lang nicht gekommen. Arbeit, müde oder andere Freunde treffen.
Schnitt. So’n komischer Virus macht die Runde und auf einmal darf ich nicht mehr irgendwo hin. Der Verein verliert seine Stammtischlocation. Und auf einmal hat es Klick gemacht. Es lebt halt alles nur vom mitmachen. Super engagierter Vorstand und ich nehme mir vor: Donnerstags wird heilig, das wird für mich wie für andere in die Kirche gehen.
Es ist nun 2025. 150 Wahnsinnige sind Beitragszahlende. Niemand muss was machen, aber alle die sich einbringen haben coole Vorteile: Günstige T Shirts, Vereinsveranstsltungen günstiger etc. Natürlich finde ich nicht jedes Mitglied supi, aber 90% sind einfach super nette Menschen. Du hast ne lustige Idee? Der Vorstand gibt dir Geld und du setzt es um. Ich habe Arbeitskolleginnen, meinen Partner und soviel mehr Leute motiviert beizutreten. Du kommst Donnerstag abends vorbei: du kannst dir sicher sein, dass ich dich herzlich begrüße und du willkommen bist. Auch die Vernetzung mit anderen Vereinen läuft mega gut. Ich bin nicht im Vorstand, aber aktives Mitglied.
Jetzt bin ich auf Jobsuche und denke mir seit 15 Jahren das erstmal: Ich will hier nicht weg. Hier ist es schön, hier bin ich zuhause. Bringt euch ein. Macht mit, auch wenn es nur ein paarmal im Jahr ist.
Was für eine Art Verein ist das? Einfach nur einer der sich einmal pro Woche trifft?
Brettspiele. Aber es haben sich auch kleine Untergruppen gebildet, die regelmäßig Essen gehen. Es lädt halt auch ein sich privat zu treffen. Aber es gibt eben auch einmal die Woche ein Treffen, dass offen ist für jeden und auch das Ziel verfolgt offen und einladend zu sein.
Ich habe das Gefühl, dass die meisten Vereine “vergreisen”. Es gibt noch ein paar Funktionsträger, die den Job schon seit Jahren machen. Wenn die wegfallen, wegen was auch immer, wird es eng.
Das liegt leider größtenteils daran, dass personell sehr wenig nachkommt. Viele Leute sehen Vereine inzwischen nur als Dienstleister, bei dem sie gegen kleines Geld irgendwas einkaufen, an dem sie Spaß haben. So bestimmte Funktionen (insbesondere Rechner/Kassenwart) machen dank stetig zunehmender bürokratischer Auflagen leider auch echt keinen Spaß mehr. Dass der geschäftsführende Vorstand persönlich haftbar ist, macht das Ganze noch zusätzlich unattraktiv. Langfristiges Engagement ist inzwischen oft kurzfristigem und kurzsichtigem Projektdenken gewichen. Wenn man alle paar Jahre den kompletten Vorstand austauschen muss, weil Alle nach der ersten Amtszeit keinen Bock mehr haben und hinschmeißen, wird das auch irgendwann blöd, auch weil dabei sehr viel Erfahrung verlorengeht, was die so Ämter dann noch unattraktiver macht, weil man sich Alles neu erarbeiten und sämtliche Fehler sämtlicher Vorgänger selbst nochmal machen muss.
Die Alten, die viele Vereine am Laufen halten und jetzt immer schneller wegsterben, sind mit einer anderen Kultur großgeworden und hängen oft an ihrem Verein, weil sie den durchaus noch selbst mit (wieder)aufgebaut haben.
Vereine leben vom Gemeinschaftssinn der Menschen und der ist in unserer Gesellschaft seit mehreren Jahrzehnten politisch gewollt auf dem absteigenden Ast. Ein Stück weit kann man dem im Verein durch gute Jugendarbeit entgegenwirken, aber gegen einen politisch gewollten gesellschaftlichen Trend kommt man damit trotzdem langfristig nicht an. Insbesondere nicht, wenn ein Großteil der Jugend aus unmotivierten Kindern und Jugendlichen besteht, die von ihren Eltern teils gegen ihren Willen zwecks betreuter Freizeitgestaltung in den Verein geschickt werden, nur um sie nicht selbst an der Backe zu haben.
Ist es wirklich ein politisch gewollter gesellschaftlicher Trend? Oder doch eher die Konsequenz aus verschiedenen Themen wie sinkender Geburtenrate / weniger Jugendlichen / Vergreisung, von Ganztagesschule, von BA/MA-Umstellung mit mehr Studiendruck und verdichteter Arbeit sowie irgendwie einem Abkommen von der Vorstellung, dass die gesamte Gesellschaft organisiert sein muss?
Es gibt einen gewissen politisch gewollten Trend dazu Vereine die im Bereich der gemeinwohlorientierten Dienstleistung angesiedelt sind bürokrarische Hürden in den Weg zu legen und steuerliche Gemeinnützigkeit abzuerkennen usw. Oft mit dem Argument das die (kommunalen) Gelder fehlen das zu unterstützen bzw. passende Rahmenbedingungen zu schaffen (z.B. Sportplatz etc.), und das die Privatwirtschaft das doch besser könne.
Du hast es als Frage formuliert. Einen gezielten politischen Vorsatz würde ich bei den bisher regierenden Parteien nicht unterstellen. Ja, ein kleiner Teil ist durch die schon länger sinkende Geburtenrate zurückzuführen. Hieraus wäre jedoch die Konsequenz, dass sich Vereine zusammenschließen.
Die Ganztagsschule ist eine Ursache. Oft besteigen sich Vereine an deren Gestaltung. Die bleibenden Zeitfenster in der Woche erschweren jedoch das Engagement von Berufstätigen und nehmen den Kindern oft die Zeit neben der Schule in das Engagement huneinzuwachsen.
Die Verdichtung von Arbeit ist nur ein kleinen Einfluss. Es sei denn, dass alle Zeiten zum Abschalten entfallen. Engageme für ein eigenes gutes Hobby, in dem man aufgeht und das man unterstützen möchte, zähle ich zur Ruhezeit von der Arbeit.
Der Anspruch, dass alles formal organisiert sein muss, ist jedoch ein großes Hindernis.
Oft ist es in Vereinen auch der Fall, dass der eigentliche Vereinszweck (siehe Satzung) nicht mehr im Mittelpunkt steht. Dieser sollte jedoch das gemeinsame Ziel der Mitglieder sein. So kann jeder mit seinen zur Verfügung stehenden Kräften dazu beitragen. Steht das Ziel nicht im Mittelpunkt endet das in Verwaltung von existierenden Ressourcen, als auch Menschen und verbraucht diese. Dieses Problem ist bei vielen vergreisenden Vereinen gut zu beobachten.
Zumindest die lokale Feuerwehr (ist je nach Kanton ein Milizsystem mit Vereinen) hier hat regen Nachwuchs, 110 Nasen bei einem Sollbestand von 100 Personen. Und so viele jungen Menschen, ich fühle mich mit meinen knapp mehr als 30 Jahren fast alt.