Schön finde ich übrigens diesen Absatz:
Das liegt zum einen daran, dass unter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Wunsch nach Teilzeiterwerbstätigkeiten gestiegen sei. Insbesondere bei Frauen sei die Quote sehr hoch, so Fitzenberger. Viele Arbeitskräfte hätten ihre Arbeitszeit in den letzten Jahren verkürzt. Betriebe würden das mitmachen, aus Sorge, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sonst zu verlieren.
Ob das wohl etwas mit der katastrophalen Situation der Kinderbetreuung zu tun haben könnte?
Oder damit dass es sich ab einem bestimmten Punkt gar nicht mehr lohnt mehr zu arbeiten. Ein Haus wird’s eh nicht bei dem Immobilienmarkt.
Noch ein Faktor: wir machen aus verschiedensten Gründen Arbeit die keiner braucht.
Irgendwo zwischen 9 (konservativ) bis 25 (spekulativ) Prozent aller Jobs haben keinen gesellschaftlichen Mehrwert oder canceln sich gegenseitig aus.
Wen das mehr interessiert: David Graeber hat mit “Bullshit Jobs” die Diskussion losgetreten. RIP https://www.youtube.com/watch?v=0aR9kaAKcv8
Es lohnt auch, das entsprechende Buch zu lesen. Es ist recht unterhaltsam geschrieben und analysiert das Problem genauer. Was auch nötig ist, um es überhaupt zu verstehen. Denn, wie Graeber sagt, es ist viel Ideologie dabei, und von der sind wir eigentlich alle indoktriniert. Gegen Ideologien anzudenken gelingt eigentlich nur, wenn man sich mühselig mit ihnen auseinandersetzt.
Da gibt es zwei unterschiedliche Probleme: Facharbeiter die fehlen, und Arbeitskräfte die fehlen.
Die ersten fehlen, weil Firmen nicht selber in die Weiterbildung investieren, gleichzeitig aber nicht gewillt sind, vorgebildeten Fachkräften auf dem Markt eine entsprechend attraktive Arbeitsstelle zu bieten.
Die zweiten fehlen, weil Arbeitgeber maximale Flexibilität bei minimaler Entlohnung erwarten - Arbeitnehmer, die wie eine Maschine ohne Seele und Verstand auf Knopfdruck zu- und abgeschaltet werden können, und mit möglichst wenig Geld abgespeist werden, am besten noch als Scheinselbstständige, die für 5€ pro Stunde noch ihr eigenes Auto ruinieren.
Das sind sicher auch wichtige Punkte, - nur zu 1) Nicht jeder Mensch hat auch die benötigten Fähigkeiten. Du kannst eine Verkäuferin nicht zu einer Data Analystin umbilden
- zu 2) Selbst bei ungelernten Jobs wie im Warenlager oder Industrieputzen werden nicht genug Leute gefunden
Das Kernproblem ist ein strukturelles und heisst geburtenstarke Jahrgänge gehen in Rente. Und zwar bis 2030 jeder 5te Arbeitnehmer. Kannste ja mal auf der Arbeit immer bis 5 zählen. Das wird echt knapp werden.
Oder anderes rum: Du löst das Problem nicht durch viel Umbildung und mehr Lohn. Nein, trotzdem zu wenige Menschen die arbeiten können.
- Nicht jeder Mensch hat auch die benötigten Fähigkeiten. Du kannst eine Verkäuferin nicht zu einer Data Analystin umbilden
Warum sollte das nicht gehen, wenn man etwas Arbeitszeit und Geld in die Hand nimmt?
Keine rhetorische Frage, ich weiß nicht, was eine Data Analystin macht und können muss!
Das Problem ist halt die Fähigkeiten eines Menschen. Jeder wird mit einem gewissen Grundset geboren aus dem man das Maximum rausholen kann. Bei manchen ist das Grundset groß, bei manchen klein.
Oder anders rum: Das hat die gleichen Gründe, wie warum aus einem Hauptschueler/in nicht mal eben ein Gymnasiast/in wird.
Was machen Daten Analysten? Zb Integralrechnungen mit Matrizen in mehr als 3 Dimensionen. Dazu noch in Python programmieren. Ersteres ist mir auch zu komplex und verkopft. Letzteres kriege ich hin.
Also wenn Industrieputzer mit >3k netto nach Hause gehen würden, würde es sicher keinen Mangel geben. Wo in der Wirtschaft, wo Leute einen super ROI für ihr Humankapital bekommen, bspw. Immobilienverwalter / Consultants, gibt es denn einen Mangel? Ne, den Mangel gibt es dort, wo den Leuten ihr Niedriglohnjob einfach keine Perspektive gibt und sie gerade so überleben können. Und auch dort, wo Fachkräfte mit irgendwas zwischen 40-60k abgespeist werden und man sich denkt: dafür mach ich mich nicht tot und ein Haus kann ich mir davon auch nie leisten. Yolo 30h.
Stimmt nicht. Es fehlen auch Hochlöhner wie zB IT‘ler, Lehrer, Piloten, Lotsen, Lokfahrer, etc
Vielleicht sollte man das mal umformulieren. Uns fehlt kein Personal, wir setzen Personal zu ineffizient ein, vielleicht weil wir immer noch viel zu viele Dinge von Hand machen die man mit der Digitalisierung komplett automatisieren könnte, z.B. 99% von Routine-Angelegenheiten die aktuell per Telefon gemacht werden, viele Behörden-Prozesse,…
Das kommt zur Misere noch dazu - alleine im Gesundheitssystem sind ja unzählige Leute damit beschäftigt morgens beim Arzt die Telefonate anzunehmen und Termine zu vergeben. Das geht sicherlich auch klüger.
Trotzdem ist es noch verdammt schwierig, Ärzte Praxis anzurufen. :). Ich bin selber Arzt und tätig im Krankenhaus. Ich hab Schwierigkeiten, Arzttermine für meine Patienten auszumachen (z.B. zur Verlaufskontrolle oder eine strahlentherapeutische Nachbehandlung zu organisieren). Bei einer Arztpraxis anzurufen ist es fast utopisch, innerhalb weniger als 5 Minuten mit den Mitarbeitern dort zu sprechen. Es ist sehr oft so, dass ich diese Anrufe zu unserem Case Manager/ unserer Sekretärin delegieren muss. Sonst kostet es mir viel zu viel Zeit. Deutsches Gesundheitssystem ist krank. Ambulantes system funktioniert nicht, stationäre Behandlung funktioniert auch nicht besser.
Gerade da finde ich Leute aber richtig eingesetzt. Mein Hausarzt zum Beispiel hat zwar auch eine automatische Telefon Hotline für Termine und Rezepte bestellen usw, aber man kann trotzdem jederzeit in die Warteschlange für ein Telefonat mit einem echten Mitarbeiter. Manchmal hat man einfach fragen die ein automatisches System nicht beantworten kann.
Ich würde allgemein lieber mehr Automatisierung hinter den Kulissen sehen anstatt dass jeder Kundendienstmitarbeiter durch ein robocallcenter und jetzt bald auch chatgpt oder ähnlichem ersetzt wird.
Schon jetzt ist der Großteil meiner Anliegen eine ewige Schreiberei von emails, oder warten in hotlines, wo man auch garantiert niemals zwei mal den gleichen Mitarbeiter erreicht. Das kann doch nicht mit Digitalisierung gemeint sein.
Manchmal hat man einfach fragen die ein automatisches System nicht beantworten kann.
Und für die sollte das Telefon da sein und nicht mit Anrufern blockiert werden, die nur einen Routinetermin oder ein Rezept wollen. Ersteres gehört z.B. heute über eine Onlineanmeldung abgewickelt, in der ich gleich live die verfügbaren Termine sehen und wählen kann.
Da beißt sich die Katze allerdings ein bisschen in den Schwanz.
Die Prozesse an sich sind oft nicht sinnlos, nur ineffizient gestaltet. Um sie effizient zu gestalten, braucht man aber IT. Und die gibt es gerade nicht, weil Fachkräftemangel.
Für viele Dinge bei der öffentlichen Verwaltung gibt es zB keine vernünftigen online Anträge, weil rechtlich Schriftformerforderniss gilt und das kann man höchstens mit der BundID bzw ePA abdecken, den hat aber keiner, deswegen wird es nicht angeboten, deswegen wird es nicht angenommen, weil man es ja nirgends nutzen kann…
Aber grundsätzlich, auf volkswirtschaftlicher Ebene, ist es damit auch nicht getan. Das, was du damit freischaffst, sind Bürokaufleute. Was gebraucht wird, sind aber Pflegekräfte, Programmierer, Handwerker.
Das wäre aber auch der Gesetzgeber gefordert. In Deutschland gibt es viele strunzdumme Vorschriften im Namen der “Rechtssicherheit”, die den effizienten Einsatz von moderner Kommunikationstechnik verhindern. So war es z.B. Jahrzehnte lang nicht möglich, Rechnungen per E-Mail zu verschicken. In anderen Ländern geht das auch alles und dort geht die Welt auch nicht unter.
IT kann sich vielleicht noch selber automatisieren, aber im Handwerk ist Automatisierung echt schon schwierig.
Manche Bauhauptgewerbe mögen ja noch mit heutigem Technologiestand automatisierbarer sein, aber zB besonders bei Heizung, Klima und Elektro in der Umrüstung von bestehender Infrastruktur ist doch einiges an Improvisation und ‘Gefummel’ vonnöten, ich seh die Heizungskeller und Dächer jedenfalls nicht durch Roboter in der absehbaren Zukunft bearbeitet, obwohl dort doch die Hütte momentan brenne, so heißt es doch.
Pflege und Gesundheit hat die Probleme von Handwerk und IT plus Ethik.
Oh da geht einiges an Produktivitätsgewinn im Handwerk - gerade durch IT. Aber nein, man muss ja zum Kunden hinfahren, mit Zollstock aufnehmen, auf Zettel schreiben und, ja genau, den Zettel nicht mehr finden, wenn der Kunde nach 2 Wochen nachfragt. Da muss man wohl nochmal hinfahren, … Macht auch nur der Meister persönlich, weil, naja, hat man immer schon so gemacht.
Und Kachel verlegen macht man auch nur vor Ort mit Zollstock. Weil man muss ja vor Ort zuschneiden und messen. Auf dem Boden kniend.
So Sachen wie Laservermessung, Fotoaufmaße, Digitale Notizblöcke, CRM, CAD, Roboterfräse haben die alle noch nicht gehört.
Bin gerade umgezogen und es ist unglaublich. 2 Handwerker haben mir tatsächlich noch keine Rechnung geschickt. Warte nun schon seit 4 Monaten darauf. Wohl den Zettel mit den Notizen verloren.
IT kann das auch nur noch bedingt. Meine Arbeitszeit besteht kaum noch aus programmieren, sondern aus telefonieren und dokumentieren. Da geht es dann darum 20 verschiedene Stakeholder und 30 verschiedene Dienste zu jonglieren. Kurzfristig ist da auch nicht so viel zu machen.
Ich würde nicht sagen, dass es IT nicht gibt.
Die guten Kollegen suchen sich halt den Arbeitgeber aus. Oft dann halt irgendeine Beratungsklitsche, in der man doppelt soviel bezahlt bekommt und weniger Amtsschimmel hat.
Der Punkt ist, dass du den Fachkräftemangel (kurzfristig) nicht bekämpfst, indem du die (aktuell) seltenste Fachrichtung mehr auslastest.
Ich arbeite als Entwickler bei einem Unternehmen, das ganz gut bezahlt und sehr flexible Arbeitsmodelle anbietet, trotzdem können wir nicht so schnell wachsen, wie wir es könnten. Der Markt ist einfach leer.
Das liegt aber auch daran dass man jetzt dort einen Rückstau hat weil man 30 Jahre lang zu wenig gemacht hat.