Stephan Grigat: Hier muss der Begriff selbst problematisiert werden. Es ist es völlig normal, dass Menschen die Politik kritisieren, die etwa in Stockholm, Tokio oder Madrid gemacht wird. Aber wir kennen keine Wörter wie Schweden-, Japan- oder Spanienkritik. „Israelkritik“ ist vom Wort her eine Kritik am Staat Israel als solchem und keine Kritik an bestimmten politischen oder militärischen Entscheidungen.

Hmm, von einem Deutschen Experten hätte ich mir da schon erwartet, dass er die Gruppe der Antideutschen kennt, die sich ja unter anderem stark pro Israel positionieren. Genauso gibt es ja auch den Begriff des Antiamerikanismus. Da wird aber nicht direkt der Begriff problematisiert.

Ist es angebracht, im Nahostkontext von Juden, anstatt von Israelis zu sprechen?

Man muss von beidem sprechen. Die israelische Bevölkerung besteht im Kernland aus etwa 80 Prozent Juden. Das spielt eine entscheidende Rolle, da Israel kein gewöhnlicher Staat ist, sondern als unmittelbare Reaktion auf eine Verfolgungs- und Vernichtungsgeschichte als jüdischer Staat gegründet wurde, der sich selber auch so begreift. Schon zur Abbildung der Realitäten ist es zwingend notwendig, von Juden zu sprechen.

Hier soll also begrifflich entgrenzt werden, und Juden außerhalb Israels mit Israel in einen Topf geworfen werden. Damit kann man dann natürlich auch direkt in jeder Kritik am Staat Israel Antisemitismus entdecken, den man selber zuvor noch gefordert hat.

Der Antizionismus – also die Ablehnung der jüdischen Nationalstaatsidee – projiziert dann alles Negative nicht auf Juden, sondern auf den jüdischen Staat Israel. Natürlich gibt es auch einige Ausprägungen, die nichts mit Antisemitismus zu tun haben, vor allem bei ultraorthodoxen Juden oder radikalen Linken vor dem Nationalsozialismus. Wenn aber heute jemand den Zionismus ablehnt, hätte ich zunächst eine ganze Reihe von Nachfragen. Zum Beispiel, warum es gerade Juden nicht erlaubt sein sollte, einen eigenen Staat zu gründen.

Wäre mir neu im deutschen Diskurs, dass es dabei darum ginge das Juden keinen eigenen Staat gründen sollen dürfen. Es geht doch darum, dass man einen Staat nicht dadurch gründen kann, dass man die dort lebenden Menachen vertreibt und entrechtet. Beim jetzigen Zionismus geht es doch auch nicht nur darum einen jüdischen Staat zu haben, sondern einen jüdischen Staat im heiligen Land, egal wer da noch so lebt(e).

Der Vorwurf des Kolonialismus ist absurd, wenn man sich die Geschichte der israelischen Staatsgründung anschaut: Sie war auch ein antikolonialer Akt, da die Zionisten damit die Briten aus dem Land vertrieben haben.

Das ist ja nun wirklich Unfug. Nach der Logik hätten ja Deutschland und Russland jedes mal antikolonialistisch gehandelt, als sie den jeweils anderen aus Polen vertrieben und die Herrschaft übernommen haben.

Nichtsdestotrotz finden sich in frühen zionistischen Schriften auch Formulierungen wie „Wir müssen das Land kolonisieren“. Das ist aber ein ganz anderer Kontext als beim europäischen Kolonialismus. Die Diskussion über die heutige Siedlerbewegung würde ich davon loslösen. Hier geht es nicht um Kolonialismus, sondern um die Konkurrenz zweier Nationalstaatsbewegungen

Ab hier wird es dann lächerlich. Die Realität ist, dass die Bevölkerung eines Besatzerstaates die besetzte Bevölkerung vertreibt, um sich das Land anzueignen. Das ist klassischer Kolonialismus, und weil der europäische Kolonialismus mit Bodenschätzen und Agrarprodukten andere Schwerpunkte gesetzt hat, macht es den Siedlerkolonialismus nicht weniger kolonialistisch.

Auch der Genozid-Vorwurf ist in der aktuellen Situation eine Schuldumkehr: Israel begeht keinen Genozid, sondern führt einen Antiterror-Krieg gegen antisemitische Mörderbanden. Beim Massaker der Hamas hingegen müsste von genozidaler Gewalt gesprochen werden.

Jaja, und weil man ja Antiterrorkrieg führt, ist es ja egal wie und wieviele Menschen man tötet. Das Prinzip kennt man ja schon von der amerikanischen Irakinvasion…

Schon heftig, wie man sich die Welt zurechtlegen kann. Erst wirft man als Antisemitismus"experte" Juden und Israel in einen Topf, um dann jede Kritik als Antisemitismus brandmarken zu können. Andererseits spricht man von Täter-Opfer-Umkehr, nimmt aber die Einordnung von Begriffen wie Kolonialismus anhand der Täterperspektive und nicht der Opferperspektive vor.

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Der antikoloniale Aspekt der Vertreibung der Briten ist schon korrekt so, kein Unfug. Die Briten waren die Kolonialmacht im Mandatsgebiet.

Die Aschkenasim im Mandatsgebiet nehmen eine ähnliche Rolle ein wie die Siedler in den Dreizehn Kolonien zur Zeit des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs.

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Der antikoloniale Aspekt der Vertreibung der Briten ist schon korrekt so

Wurden die Briten „vertrieben“?
Sind die Israelies die zuvor von den Briten kolonisierte Bevölkerung?

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🤣

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Klasse, wenn der Beitrag schneller runtergevotet wird, als man den Artikel überhaupt lesen kann!

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  1. Mopo
  2. Apartheidleugnung, damit kannst du den “Experten” als Propagandisten in die Tonne kloppen.
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Es gibt halt keine Apartheid in Israel. Israel besetzt Teile Palästinas, das ist auch schlecht aber nicht das gleiche.

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Nicht zu vergessen die gezielte Enteignung arabischer Nachbarschaften und Dörfer um dort jüdische Siedler:innen platzieren zu können. Teils auf legalem Wege, teils mit Gewalt. Dazu kommen dann noch Straßen, welche durch die besetzten Teile des Westjordanlandes gebaut werden, die den dort lebenden Palästinenser:innen aufgrund ihres Residenzstatuses außerhalb Jerusalems vorenthalten sind. Dieser Residenzstatus kann natürlich jederzeit durch den Staat arbiträr eingeschränkt werden. Diese Straßen zu überqueren geht natürlich auch nicht, was zu enormen Umwegen und isolierten Existenzen führt. Dass in diesem besetzten Gebiet rechtsstaatliche Verfahren für Israelis gelten, für alle anderen aber Militärrecht, institutionalisiert die Umstände vor Ort dann auch.

Ist das 1 zu 1 die Situation wie sie in Südafrika passiert ist? Nein.

Wird probiert Bevölkerungsgruppen gezielt zu trennen um ein aneinander vorbeileben zu ermöglichen, natürlich mit stark unterschiedlichen Lebensstandards? Sozusagen ein Leben “à part”? Das Argument kann man meiner Meinung nach vertreten.

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Es überrascht mich, dass dieser “Experte” nicht weiss, dass sich der Apartheidsbegriff nicht nur explizit auf Südafrika bezieht und dass nach UN- und ICC-Definition Rassismus nicht Teil der Intention der Unterdrückung sein muss (auch wenn ich das zumindest einem grossen Teil der israelischen Politik unterstellen würde).

Insgesamt ist dieser Artikel leider auch nur ein Haufen Israel-Apologismus, nicht besser als was wir von pro-russischen Propagandisten aufgetischt bekommen, um die Invasion zu rechtfertigen. Schade drum, die taz zeigt, dass man auch in Deutschland guten Journalismus zu dem Thema machen kann.

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Vergleiche mit dem Holocaust oder Nazi Deutschland sind daneben und verharmlosen nur was damals passiert ist.

Der Kolonialismusvergleich ist aber gerechtfertigt, genauso wie jegliche andere Kritik gegenüber der Apartheidpolitik in Israel. Was dort geschieht ist alles andere als “die einzige Demokratie im Nahen Osten”. Es ist ein Staat der spezifisch den Juden auf religiöser und ethnischer Ebene dient und nicht der ganzen Bevölkerung, wie zum Beispiel den Arabern im Land. Selbst die Parteienladnschaft ist nach Ethnien und Religion segregiert.

Und nein das entschuldigt nicht die Hamas, aber andersherum auch nicht.

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Der Kolonialismusvergleich ist aber gerechtfertigt, genauso wie jegliche andere Kritik gegenüber der Apartheidpolitik in Israel.

Ja eben gerade nicht.

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In dem Interview sagte der Interviewte nur “Apartheid war wegen Rassismus und in Südafrika. In Israel sind die Leute in Gaza und der Westbank eingeschlossen wegen Terrorismus.” Das Strohmänner aber das Apartheidsargument. Da geht es eben nicht nur um die Araber in der Westbank und Gaza sondern auch um alle Nichtjuden in Israel (auch Nichtjüdische Staatsbürger), die mit legaler Diskriminierung leben müssen.

Also wenn Diskriminierung vom Staat durchgesetzt wird, ist das ein Apartheidsregime. Oder muss es in Südafrika sein damit der Begriff angewendet werden kann?

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Ich wüsste nicht, dass nichtjüdische Staatsbürger in Israel nicht mit dem selben Bus fahren, an den selben Strand gehen oder die selbe Toilette besuchen dürfen. Ich habe sogar schon mal gehört, dass sie eigene Parteien haben und an einer Regierungskoalition beteiligt waren. Aber das ist ja fast wie damals in Südafrika, nicht wahr?

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