Der Text:
Protest gehört unverbrüchlich zur Kultur der Demokratie. Das ist Fakt.
Die Interessen der Landwirte zu wahren, ist deren legitimes Recht. Die geplanten Einschnitte in Art und Weise sowie ihrer Kurzfristigkeit zu hinterfragen, ist ebenso legitim. Dennoch sollte man auch im Protest Verhältnismäßigkeit bewahren. Das wir am Montag derzeit nicht sicher wissen, ob Schüler in die Schule kommen, ein Landratsamt wirklich funktioniert oder andere, lebenswichtige Dinge wirklich gesichert sind, sehe ich kritisch. Noch umso mehr, als das der legitime Protest droht, von rechten Kräften und anderen Gruppen missbraucht zu werden. Auch – und das ist wichtig – gegen den Willen der eigentlichen Veranstalter.
Doch das, was sich da gerade zusammenfindet, hat großteils inzwischen nichts mehr mit den Bauernprotesten zu tun. Denen man – ich sag es nochmal – grundsätzlich zustimmen muss, denn das Versammlungsrecht ist ein hohes Gut und muss geschützte werden. Ob Verhältnismäßigkeit der Sache und Inhalt an sich die rechtfertigt, ist zweites. Und da kann man auch anderer Meinung sein. Aber so ist Demokratie.
Doch der Protest der Bauern ist scheinbar längst geentert. Und man kann es eigentlich nur mit einer Satire beantworten, was dieser Tage durch Verschwörerkreise wabert. Also tue ich das mal. Denn es entgeistigt sich gerade einiges, weil Umsturzphantasien durchs Netz wabern, die friedlichen Protest nunmehr überlagern. Wie ein seltsam befreiender Suizidgedanke.
Ein Bauernkrieg „Zwonull“ wird heraufbeschworen. Gegen diese Ampel!
Gegen das System! Endlich! Frei!
Ehrlich? Welche Freiheit fehlt denn?
Ihr habt die Freiheit alles mögliche zu sagen, zu tun. Selbst solcher Unfug wie jenes Umsturzfieber dieser Tage bleibt ungestraft. Man möge sich an Zeiten erinnern, auf die jetzt gerne verwiesen wird. Wenn man beklagt, man könne ja nichts mehr sagen hier. So wie damals. Wirklich? In den Zeiten, die man da meint, wäre schon das bloße Formulieren dieses Makels haftbewährt gewesen. Aber ok. Man kann ja vergessen, wenn es ins Bild passt. Vorzugsweise in das eigene.
Ihr habt die Freiheit, alles zu glauben, was ihr wollt. Auch das ist viel mehr als nichts. Ob Oligarchenpropaganda, Reichelts Märchenkanal, Freie Sachsen Hetze. Bevorzugt blauen Dunst. Egal. Ihr dürft sogar Extreme wählen, die unsere Verfassung kippen und den Sozialstaat schleifen wollen. Die als gesichert rechtsextrem eingestuft sind. Weil letzteres ja der komische Verfassungsschutz getan hat. Der zwar die Verfassung schützen soll. Aber – so what! Wer braucht die schon, wenn es um Wut geht? Ihr habt die Freiheit, den Planeten hinzurichten und den kommenden Generationen im Wortsinn verbrannte Erde zu hinterlassen. Und ihr könnt dabei sogar so tun, als wäre Wissenschaft Schall und Rauch und Telegramm der Sprachkanal der Leopoldina. Ihr habt die Freiheit, das Land wieder einzuzäunen. Wobei diesmal der Stacheldraht nach aussen zeigen soll. Dahinter werden wir dann zwar langsam aussterben und unsere Betriebe morbide herunterfahren, weil Hände fehlen, die viele Arbeit zu tun. Was schliesslich wirklich Wohlstand kosten wird. Jener, der in Wahrheit gross, robust und alles andere als selbstverständlich ist. Und für den jede Generation arbeiten musste. Und das auch getan hat. Aber wir nehmen uns die Freiheit, dies als Standard einzufordern. Und beim irgendwie seltsam herbeiersehnten Untergang sortenrein zu bleiben, nicht wahr? Wir haben die Freiheit, Silvester die Hunderter wegzuballern, als gäb es kein Morgen. Wenn das Mehl aber einen Cent teurer wird, rufen wir auf die Barrikaden. Wir haben die Freiheit uns im Discount zu begeistern, wenn Lebensmittel kleine Preise haben. Wie die zustande kommen, wissen wir. Doch ist im Sparkaufmoment der Landwirt so fern, wie die Moral. Man könnte fortsetzen.
Stimmt alles nicht? Na dann.
Treckern wir jetzt mal alles zu. Punkt!
Generalstreik. Stillstand. Endlich. Wenn aber die kommenden Generationen sich festkleben, weil sie eine Zukunft wollen, die wir ihnen gerade zu vermasseln drohen. Wenn sie protestieren, weil wir Realität verdrängen und nicht zuhören. Dann reden wir diese in Sack und Asche. Werfen Schülern – unseren Kindern – die sich engagieren so lustige Sachen vor wie „geht erstmal richtig arbeiten“. Verwöhnte Generation! Leistet erstmal. By the way. Würde dies stimmen, was ich definitiv ins Reich der Stammtische verweise. Aber – mal gesponnen – wäre diese letzte Generation wirklich so missraten. Wer hätte denn die kleinen Systemsprenger zu solch Verwöhnbratzen erzogen? Frage für einen Freund. Ist auch egal. Realitätsverweigerung, Stufe 5. Gezündet!
Das wir uns nicht falsch verstehen: Es ist nicht alles gut. Und die Einschnitte, die es nun geben wird sind schmerzlich. Die Art und Weise deren Umsetzung grenzwertig. Mindestens. Doch Veränderung ist nötig. Weil sich immer alles bewegt. Und manchmal mehr. Wir müssen vieles gerade bewältigen. Mussten aber Generationen vor uns auch. Und das dies herausfordernd ist, ist unbestritten. Und ja, wir machen dabei Fehler. Zuwanderung muss gesteuert werden, die Energiewende braucht finanzielle Unterstützung und Justierung. Wir müssen uns neu erfinden und dies in kurzer Zeit. Und, und, und… Alles richtig. Alles wahr. Dennoch geht das alles nicht, wenn wir Demokratie, die Verfasstheit des Staates und unsere Regeln und Werte mit Füssen treten. Wenn nur noch gebrüllt wird. Gegen und für alles. Wenn wir verantwortungslos agieren und alles von uns weisen. Zu irgendwem, einer imaginären Verheissung, die alles richtet.
Hatten wir schonmal. Wirkte am Ende weltweit und war kein Erfolgsmodell.
Aber keine Sorge. Denn es gibt sie, die guten Nachrichten. Und diese lauten wie folgt:
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Der Umsturz findet nicht statt, denn die Mehrheiten liegen anders, als es im Getöse erscheint.
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Wir werden diese Herausforderungen meistern. Vorausgesetzt wir bleiben zusammen und finden zurück zu Regeln und Werten, die Generationen vor uns teils mutig und blutig erstritten haben, denn dann wir sind
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stark und haben bewiesen, dass wir Veränderung, Aufbruch und Entwicklung meistern können. Besser als Andere.
Achja. Ganz im Ernst. Wir leben bereits in einer freiheitlichen Grundordnung und sollten diese eher verteidigen und mit Leben füllen, statt sie klein zu reden. Und dieses braucht uns. Nimmt und in die Pflicht. Statt alles und jedes Thema anderen zur Lösung zu delegieren, oder dieses gesamte System ins Jammertal zu tragen.
Denn das ist so sinnvoll, wie ein Suizid aus Angst vor dem Tod.
Zusammenfassung:
Protest gehört unverbrüchlich zur Kultur der Demokratie. Das ist Fakt. Die Interessen der Landwirte zu wahren, ist deren legitimes Recht. Die geplanten Einschnitte in Art und Weise sowie ihrer Kurzfristigkeit zu hinterfragen, ist ebenso legitim. Dennoch sollte man auch im Protest Verhältnismäßigkeit bewahren. Das wir am Montag derzeit nicht sicher wissen, ob Schüler in die Schule kommen, ein Landratsamt wirklich funktioniert oder andere, lebenswichtige Dinge wirklich gesichert sind, sehe ich kritisch. Noch umso mehr, als das der legitime Protest droht, von rechten Kräften und anderen Gruppen missbraucht zu werden. Auch – und das ist wichtig – gegen den Willen der eigentlichen Veranstalter. Doch das, was sich da gerade zusammenfindet, hat großteils inzwischen nichts mehr mit den Bauernprotesten zu tun. Denen man – ich sag es nochmal – grundsätzlich zustimmen muss, denn das Versammlungsrecht ist ein hohes Gut und muss geschützte werden. Ob Verhältnismäßigkeit der Sache und Inhalt an sich die rechtfertigt, ist zweites. Und da kann man auch anderer Meinung sein. Aber so ist Demokratie.:::